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Literatur

 

Beiträge zur Geschichte des Handels und Warenverkehrs auf der hohen Landstraße

in den Wettinischen Landen bis ins 16. Jahrhundert     

 

Inaugural-Dissertation von Beatrix Reißig   

Philologisch-historische Abteilung der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig, 1938

 

   D      ADJ e.V.   Vollständige digitale Kopie

 

   A      Kartenbeilage und Abschrift der Einleitung  

 

Karte aus : B. Reißig, "Beiträge...", Seiten 120f, je 20,7 cm x 14,6 cm, Archiv der ADJ e.V.

 

(S.1)   Einleitung:

Die ältesten Nachrichten über Handel mit den Slawen im Gebiet der Mark Meißen.

     Kennzeichnend für das mittelalterliche Deutschland ist die Abnahme der Kulturhöhe von Westen nach Osten, und diese Spannung löst einen mehr oder weniger starken Verkehr aus, den wir an den Waren, die von Westen nach Osten und von Osten nach Westen vermittelt werden, messen können. Seit dem 15. Jh. erlangt, wie die vorliegende Arbeit zeigen soll, die hohe Landstraße für diesen Handelsverkehr besondere Bedeutung, aber schon viel früher hat zwischen Frankfurt a.M. und Breslau – um nur die Endpunkte zu bezeichnen – eine Handelsverbindung bestanden: Breslauer sind im 14. Jh. in der Mark Meißen und in Frankfurt nachzuweisen.

     Der Name „Hohe Landstraße“ ist nicht allein auf diesen Straßenzug beschränkt: einer der Übergänge über den Thüringer Wald, und zwar der über Koburg – Neustadt – Naufang – Steinheid, wird so bezeichnet1). Bei ihrer ersten Erwähnung im Gebiet des Bistums Meißen wird die hohe Straße in einer Urkunde Mgrf. Heinrich des Erlauchten vom Jahre 12522) „strata regia“ genannt, worauf auch der später bisweilen vorkommende Name „Königsstraße“ zurückgeht. „Hohe Straße“ heißt sie zuerst im Gebiet östlich der Elbe im Gegensatz zu der weiter nördlich über Eilenburg-Torgau-Herzberg-Liebenwerda-Spremberg-Muskau-Sagan-Liegnitz nach Breslau führenden “Niederstraße“, was insofern berechtigt ist, als die hohe Straße topographisch viel höher gelegenes Gelände durchläuft. Für den ganzen Straßenzug – also auch nach Westen bis Frankfurt – findet sich der Name erst seit dem 16. Jahrhundert.

     Ihr Verlauf richtet sich wenigstens im westlichen Teile nach der Oberflächengestalt des stark gegliederten und allseitig von Flüssen aufgeschlossenen Mittelgebirges. Von Frankfurt ein Stück

1)   Z. V. Thür. Gesch. NF Bd.12 S. 275.

2)   CDSR II, 1, Nr. 165.      


( S. 2)   mainaufwärts ziehend benutzt sie die Kinzig als Wegweiser durch das hessische Bergland, erreicht nach einem Wege über den Vogelsberg in mehreren Zweigen den NW des Thüringer Waldes bei Eisenach, wo eine unmittelbar von Köln kommende Straße sich mit ihr vereinigt, tritt in das Thüringer Becken ein und berührt dessen Hauptort Erfurt. Von hier aus folgt sie den Höhen bis Naumburg, wo die Saale überschritten und bis Weißenfels als Leitlinie benutzt wird. Die sumpfigen Niederungen westlich von Leipzig werden durch einen schon früh gebauten Damm überwunden. Von hier aus sucht man die günstigsten Muldenübergänge bei Eilenburg oder Grimma, auch wenn sie Wurzen gegenüber einen Umweg bedeuten, das als Hoheitsgebiet des Meißner Bischofs umgegangen wird. Ein bestimmter Elbübergang hat sich in der ältesten Zeit noch nicht herausgebildet; später setzt sich Merschwitz durch, während anfangs die befestigten Übergänge wie Strehla, Boritz, Zehren3), Meißen miteinander wechseln. Östlich der Elbe stehen der reinen Ostrichtung keine nennenswerten Hindernisse entgegen; es entsteht erst allmählich ein fester Straßenzug.

     Frankfurt, Erfurt, Leipzig und Breslau sind die Hauptknotenpunkte im Verlauf der hohen Landstraße. Die Bedeutung kultureller Spannung zwischen dem Westen und dem Osten, in älterer Zeit vermehrt durch den Gegensatz zwischen Deutschen und Slawen, trägt wesentlich zur Förderung des Handels in West-Ostrichtung bei. Bis ins 14. Jh. hatte der Osten desn gewerblichen Erzeugnissen des alten Reichsgebietes nichts Gleichwertiges entgegenzustellen. Dafür bot er die Produkte der ausgedehnten Wälder: Pelze, Honig, Wachs, Pech und Unschliltt, daneben Metalle und Vieh: für alles war in dem dichtbevölkerten Altland immer Bedarf. Ein großer Teil dieser Waren ging auf hansischen Schiffen durch die Ost- und Nordsee nach den Niederlanden, aber mit der Zunahme der deutschen Besiedelung im mittleren Osten wird auch dieLandverbindung belebt und tritt seit dem Rückgang der hansischen Ostseestellung in den Vordergrund.

     Außer dem Durchgangshandel zwischen dem äußersten Westen und dem äußersten Osten gibt es einzelne Handelsgebiete von kleinerer Ausdehnung, die untereinander in Verbindung stehen und deren Einzugsbereiche einander zum Teil überschneiden. Aber erst im 15. Jh. beginnen die Quellen über einen ausgedehnten Handel der Bewohner  der Wettinischen Lande ausführlicher zu fließen.

3)   So in den Polenzügen Heinrichs II. Thietmar VI 53, VI 10, VI 56, V 36.


(S. 3)   Über die Maßnahmen Karls des Großenin unserem Gebiet haben sich zwei sichere Nachrichten erhalten, die beide aus dem Jahre 805 stammen: Im Zusammenhang mit dem Slawenfeldzug des Jahres 805/064) hat der Sohn Karls „ad locum qui vocatur Halla“ ein Kastell errichten lassen, das doch wohl einen Saaleübergang schützen sollte. Der Name „Halle“ deutet auf Vorkommen von Salz hin; die Slawen werden es auch schon zu dieser Zeit hier geholt haben. So hat sich wohl schon jetzt eine Salzstraße nach dem Osten ausgebildet, die den Kriegszügen zugute kam und die Anlage einer Befestigung lohnte.

Die zweite Nachricht ist die Bestimmung des Capitulare von Diedenhofen5), die den Handel mit den Slawen über die Reichsgrenze hin regelt: für jeden einzelnen der Abschnitte, in die die gesamte Ostgrenze geteilt wird, wird eine Niederlassung als Verwaltungszentrum mit einem kgl. Beamten bestimmt, auf die sich auch der Handelsverkehr beschränken soll: im Gebiet zwischen Harz und Thüringer Wald soll Erfurt diese Stellung übernehmen; die Kaufleute sollen nicht weiter als bis zu diesen Orten vorgehen, um ihre Waren an die Slawen zu verkaufen und deren Erzeugnisse einzuhandeln. So müssen die Slawen über die Grenze in das Reich kommen, wodurch eine bessere Kontrolle ermöglicht wurde, als wenn die Franken die Reichsgrenze nach Osten überschritten: Vor allem sollte der Waffenhandel mit den Slawen auf diese Weise eingeschränkt werden. Im 10. Jh. schiebt Heinrich I. die Reichsgrenze an die Elbe vor. Otto I. organisiert das neugewonnene Gebiet kirchlich durch Bistumsgründungen. Über den Handelsverkehr fehlt es bis in die zweite Hälfte des 10. Jh. an Nachrichten, doch dürfen wir annehmen, dass die Verhältnisse hier ähnlich waren wie im südlichen Grenzgebiete gegen die Slawen, an der Donau, wo in dem Zolltarif von Raffelstetten aus dem Jahre 9056) eine wertvolle Quelle darüber erhalten ist. Hier wird zunächst einmal unterschieden zwischen Berufskaufleuten und solchen Leuten, die nur Waren ihres eigenen Bedarfs bringen; letztere werden hinsichtlich der Abgaben günstiger gestellt. Sobald sie aber über den eigenen Bedarf hinaus handeln, müssen sie die üblichen Abgaben zahlen. Ferner wird geschieden zwischen „servi“ = Sklaven und „homines liberi“ = freien Leuten, wobei es sich aber weniger um

4)      Anm. regni Francorum (ed. Kurze), S. 120f.; Chron. Moissiacense a. 806. (MGH SS I, p. 308).

5)      MGH, Capitularia I p.123.

6)      MGH LL III p. 480 f; CD Boh. I, 34, dazu K. Schiffmann, MIÖG, Bd. 37 S. 479-488 und G. v. Below, VSWG Bd. 17 (1924) S. 346-350.


(S. 4)   Unfreiheit im ständischen Sinne7) , als um wirtschaftliche Abhängigkeit handelt, wie aus § 3 der Zollordnung hervorzugehen scheint, wo der Herr das durch die Verfehlung seines Dieners beschlagnahmte Schiff auslösen soll. Nach dem Wohnort scheidet die Zollordnung zwischen Bayern als politischem Begriff, zu dem auch Slawen gehören, wie aus § 6: „Bavari vel sclavi istius patrie“ hervorgeht, uns den „sclavi vero qui de Rugis vel de Boemanis mercandi causa exeunt“; außerdem kommen noch Juden zusammen mit Kaufleuten aus anderen Ländern vor. Die wichtigsten Handelsgegenstände sind außer dem zu Schiff und zu Wagen kommenden, aus den Salinen von Reichenhall und dem Traungau stammenden Salz einmal die Waren des täglichen Bedarfs, die von den Landleuten der Umgebung gebracht und mit Sklaven, Pferden oder Ochsen befördert werden. Die aus Mähren und Böhmen kommenden Slawen bringen in erster Linie Wachs entweder als Saumlast zu Pferde oder als Traglast durch Menschen über die Gebirge. Daneben spielt der Sklavenhandel eine beträchtliche Rolle, wie überall im Frankenreich zum Teil auch von Juden betrieben8).

Ich glaube sicher die in der Raffelstettener Zollordnung geschilderten Zustände auch auf das Grenzgebiet an der Elbe und Saale übertragen zu dürfen, wenn es auch in dieser Gegend keinen so überragenden Handelsmittelpunkt wie Regensburg gibt: genau wie im Süden sitzen hier die Slawen östlich der Reichsgrenze, und der Handel mit Salz aus Halle, Lebensmitteln, Wachs und Sklaven wird auch hier am wichtigsten gewesen sein. Für das ausgehende 10. Jh. wird in den größeren Niederlassungen die Anwesenheit von Juden bezeugt, die sicher mit dem Handel in Verbindung stehen, so in Halle für die Zeit Otto I.9)  durch Ibrahim ibn Jaqub10), in Merseburg unter Otto II.11) und in Meißen z. Zt. Heinrichs II.12). Seit Meißen der vorgeschobene Stützpunkt des Reiches gegen die Slawen geworden ist, hat auch die Verbindung nach dem alten Reichsgebiet als Heerstraße  an Bedeutung zugenommen: die Urkunde von 983, in der Otto II. dem Bistum Meißen die Zölle auf der Elbe und über die Elbe hinüber verleiht13), erwähnt Scharen von Kaufleuten, die sich jenseits der Elbe hierhin und dorthin

7)     v. Below, a. a. O., S. 349.

8)     Hoops, Reallex. Art. Handel, S. 398 f. 403, 407.

9)     Chron. ep. Merseb. (SS X, 167).

10)   Herausgeg. von Jacob, S. 13.

11)   Thietm. Merseb. III, 1.

12)   Thietm. VI, 54.

13)   CDSR II, 1, Nr. 11 = DO. II Nr. 184.


(S. 5)    ergießen14). Schon im Jahre 97115) werden die an den Bischof als Zehnt zu entrichtenden Abgaben aus fünf  Slawengauen erhoben in Gestalt von Honig, Pelzen, Geld, Sklaven, Kleidern und Tuchen, Schweinen und Getreide, alles Waren, die wir auch in der Raffelstettener Zollordnung finden, wenn wir Honig, Pelze, Kleider, Tuche, Schweine und Getreide als „Victualia“ zusammfassen. Wenn aber nicht außerdem von der „uberchoufunga“, einer Verkaufsabgabe, die Rede wäre, so ließe sich allein aus dem Vorkommen der Waren kein Handelsverkehr beweisen. Die Sitte, die meisten Abgaben in Naturalien zu erheben, bildet dabei keinen Maßstab für das Verhältnis zwischen Tausch- oder Geldhandel; denn bis ins 15. Jh. hinein haben sich die „Pfefferzölle“ gehalten, als von Tauschhandel keine Rede mehr sein kann.

Heinrich II. hat sich während derAuseinandersetzungen mit Polen und Böhmen für seine Kriegszüge zum Teil auch der hohen Landstraße nach dem Osten bedient, aber über einen Handelsverkehr auf ihr fehlt es für das 11. und beginnende 12. Jh. an Nachrichten; regelmäßiger Warenaustausch war am ehesten innerhalb der Mauern der in zunehmder Zahl entstehenden städtischen Niederlassungen möglich. Hier ist er auch am besten durch Nachrichten belegt, während die Zustände auf dem flachen Lande zumeist im Dunkel der fehlenden Überlieferung verschwinden. Doch sind einzelne Tatsachen über interlokalen Verkehr aus den Beziehungen der Siedlungen untereinander zu erschließen.

14)  Daß hier sowohl Handelsverkehr auf dem Fluß als auch über den Fluß hinüber gemeint ist, geht aus der doppelten Formulierung der Urkunde: „a civitate …  usque ad … portum sursum“ und „per ambas plagas deorsum“ hervor, wogegen Weißenborn (Elbzölle und Elbstapelplätze, S. 15) nur den Übergangsverkehr gelten lassen will.

15)  CDSR II, 1, Nr. 8 = DO. I, 406.