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Literatur

 

Die Verkehrsstrassen in Sachsen und ihr Einfluss auf die Städteentwicklung bis zum Jahre 1500  

Mit einer Karte

von August Simon

Inaugural-Dissertation, Universität Leipzig

Stuttgart 1892, 97 Seiten

 

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    T       Auszug aus Kapitel 7  -  Strassen und Städte des Flachlandes und der Lausitzer Platte

 

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Diese nördliche Strasse wurde sogar 1080 von den durch Nisani ziehenden Böhmen benutzt: sie drangen über Wurzen bis Leipzig, zogen sich bis Wurzen zurück und erwarteten hier den von Belgern heranziehenden Wiprecht von Groitzsch 10). Die frühzeitige Verbindung nach Osten zeigt die Vergabung der villa Gorelitz (Görlitz) 1071 an die Meissner Kirche, vorher schon der castella Ostrusna, Godobi, (Trebista), Ostro und Göda, im Jahre 1007 an dieselbe Kirche 11).  1126 wurde in Görlitz eine Burg gebaut; Göda war schon in vorchristlicher Zeit Mittelpunkt eines Wehr- und Gerichtsbezirks, dementsprechend in christlicher Zeit Mittelpunkt eines Burgwarts und einer ausgedehnten Pfarrei, die noch im 16. Jahrhundert trotz mancher Abtrennungen 66 Dörfer umfasste 12).  Ueberhaupt ist diese Strasse reich an kirchlichen Verwaltungszentren: Merseburg, der Anfang, ist seit 976 Bischofssitz; Wurzen, Oschatz, Riesa, Hayn (Großenhain), Kamenz, Löbau, Reichenbach, Görlitz, Lauban waren sedes, Bautzen war Dekanat 13). Von den vier Merseburger Gerichts-

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10)  Posse, Markgrafen, S. 187

11)  C. d. S. r. I, 1, 59, 141.

12)  Knothe i. A. f. s. G. 5, 1876, 77, u. A. f. s. G.  N.F. 2. 1867, 237.

13)  Posse, Markgrafen, Exkurs III


 

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stühlen war einer zu Lützen, einer zu Markranstädt, eine ante civitatem Lipsk (vf dem cütz. Kautz) 1).  Zu Collm bei Oschatz, wo die Strasse von Rochlitz und Leisnig einmündete, waren die Landdinge für alle Freien der Mark Meissen: placidum Collm 1185, judicium provinciale Cholme 1233, 21. August, 19 September 2). Mit Recht wendet man daher auf diese wichtige Strasse Görlitz - Bautzen - Leipzig - Merseburg die Bezeichnung strata regia an, deren Erträgnisse nach alter Gewohnheit (seit 983?) 1252 dem Meissner Bischof erhalten bleiben, welche Strasse auch bei Kamenz 1241 erwähnt wird: antiqua strata, qua itur de Budissin contra Albiam 3).  Die Entwicklung dieser Straße nach 1500, der hohen Landstraße, behandelt ausführlich Falke 4).  1308 wird zuerst der Durchgangszoll in Görlitz erwähnt, 1339 der zu "Hayn über Elbe"; 1339 bekommt Görlitz die Waidniederlage mit Anweisungen für die Bürger von Naumburg und Zittau. 1341 gibt König Johann von Böhmen der Stadt Görlitz einen Brief, dass die Strasse aus Schlesien durch Görlitz gehen soll 5).  1374 tragen die Bürger von Bautzen, Görlitz, Lauban, Zittau zum Bau einer Brücke unterhalb Oderberg bei 6).  Markgraf Wilhelm von Meissen  schliesst 1399 mit Breslau einen Vertrag, 1404 mit Krakau, durch welchen er beiden Schutz in seinem Lande zusichert gegen Zoll zu Grossenhain und Oschatz; 1419 wird die Strasse aus dem Meissnerland über Waltersdorf und Reichenberg nach Böhmen verboten, die über Königsbrück, Kamenz, Löbau, Zittau, Gabel vorgeschrieben. 1442 verhandelt der geleytsman czu Oschatzt mit Pirna 7).  1462 wird durch die schon erwähnte Zollordnung die Hohe Landstrasse über Naumburg, Lauban, Görlitz, Bautzen, Kamenz, Königsbrück vorgeschrieben, die über Friedland und Seidenberg nach Böhmen, die über Sagan und Priebus in die Mark verboten; die beigefügte "Delineation" giebt für den weiteren Verlauf Hayn, Merschwitz, Oschatz, Dahlen, Eilenburg, Leipzig an; gleichzeitig heisst es, die Wagen und Fuhrleute und Kaufleute, welche von Polen und Schlesien nach Leipzig, Erfurt oder Halle wollen, sollen dieselbe Strasse über Grimma und Eilenburg fahren 8).  1488 werden die Kaufleute, die von Senftenberg kommen, gezwungen, die Strasse auf Liebenwerda, Belgern, Eilenburg zu meiden und die Straße auf den Hayn, Oschatz u.s.w. zu fahren 9).  Der Kurfürst eröffnet 1477 zu Grossenhain eine Waidniederlage und lässt keinen Waid auf der grossen Handelsstrasse weiter nach Osten gehen, dadurch wurde die Görlitzer Waidniederlage ernstlich bedroht. 1478 wird zwar auf Ver-

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1)   C. d. S. r. II, S,  anno 1291.  A. f. S. G.  N. F. 2, 1876, S. 200.  C. d. S. r. II, S. 15: 1287  Ranstete forensis, Markranstädt.

2)   C. d. S. r. II, 4, 399; II, 12. 2.

3)   C. d. S. r. II, 7, 3.   Knothe im  A. f. S. G. 5, 1884, S. 73 f.

4)   A. f. S. G. 7, 1869, 113.,

5)   Hauptstaatsarchiv  Dresd. Loc.10511, Aufsatz: Die Hohe Landstrasse aus Pohlen: ebenso 1356, 1377.

6)   Scriptores rerum Lusat.  N. F. I. 54.

7)   C. d. S. r. II, 5b, 111.

8)   Hauptstaatsarchiv  Dresden.  Cop. 7, Fol. 77b, 78b,59b.

9)   s. a.O. Akten  10513.


 

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wendung des ungarischen Königs dieselbe zurückgenommen, aber 1491 für immer erneuert 1).

       Die Strasse zog also von Leipzig aus entweder über Wurzen, oder weil dieser Übergang zu Zeiten schwierig war, über Eilenburg oder Grimma, dann über Oschatz, den Fährort Merschwitz, Grossenhain, Königsbrück, Kamenz, Bautzen, über Weissenberg oder Löbau, später nur über letzteren, nach Reichenbach und Görlitz, von hier weiter über Lauban nach Breslau und Krakau.

      Die Bedeutung einer solchen Strasse leuchtet sofort ein. Sie verband schließlich den Mittel- und Niederrhein mit Schlesien und Polen, den Westen mit mit dem Osten. Auf ihr drang anfangs Deutschtum und Christentum und mit beiden dann ein lebhafterer Handel und die Kultur schrittweise nach Osten vor, zuerst von der Saale bis zur Mulde, dann bis zur Elbe, zum Queiss, der Milzenergrenze im Osten, endlich noch weiter. Fast immer am Nordrand der Mittelgebirge verlaufend, hat sie ebenso wie die etwas südlichere gelegene Ostweststrasse wohl ursprünglich alte slawische Stammesfesten in Chutizi, deren Lage unbekannt ist, in Daleminzi (Jahna), in Milzieni (Bautzen), also Mittelpunkte fruchtbarer, darum reich bevölkerter Gaue verknüpft. Diese und deren Vertreter hat sie in christlich-germanischer Zeit zu Städten umgewandelt und zwischen denselben neue Städte entstehen lassen.

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1)   A. f. S. G. 12, 1874, S. 274.