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Literatur

 

 

 

Ansichten aus Thüringen - Im Jahre 1795

Reisebericht von Friedrich Herrmann

In: Neue Reisen in Deutschland -  Dritter Theil

Leipzig, 1800, bei G. Benj. Meißner

 

 

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   T       Abschrift/Auszug aus Abteilung 1    Seiten 1 - 20

          "Ansichten aus Thüringen - Im Jahre 1795"

 

Auszug aus einem Reisebericht von Leipzig nach Wiehe (bei Artern).  Bis Naumburg folgt der Autor der Heer- und Handelsstraße zwischen Leipzig und Erfurt. Der Auszug beschreibt die Strecke von Leipzig bis Lützen. Zum Zeitpunkt der Reise war der Neubau der Chaussee erst kürzlich fertiggestellt worden.


 

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    Es kann für einen Reisenden nicht anders als erfreulich seyn, wenn er sieht, daß man sich beeifert, ihm bei den unvermeidlichen Beschwerlichkeiten, mit welchen er zu kämpfen hat, doch so viel Bequemlichkeit zu verschaffen, daß ihm jene weniger fühlbar werden. Die Straße von Leipzig nach Naumburg war noch vor kurzem eine der übelsten, und der an einigen Orten schwarze, an anderen thonige Boden machte, daß sie, wenn eine Zeitlang Regenwetter gewesen war, nicht nur als beschwerlich, sondern auch als gefährlich gefürchtet wurde.

    Das hat sich sehr zum Vortheile der Reisenden geändert. Der jetzige Kurfürst, über

 

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dessen nützliche Verwendung der Einkünfte das ganze Land nur eine Stimme hat, hat die wilden, unzugänglichen Wege in reinliche und bequeme Chausseen verwandelt. Viele hundert arme Menschen haben durch den Straßenbau ihren Unterhalt gefunden, und finden ihn zum Theil noch, ohne daß der Staat, welchem sich das darauf verwandte Kapital durch die einkommenden Chaussseegelder reichlich verzinst, den geringsten Verlust dabei erlitten hätte.

 

    Freilich mußten, wenn anders diese Straße, die sehr stark bereist wird, breit genug werden sollte, die Besitzer der daran stoßenden Grundstücke einige Ellen davon dem allgemeinen Besten aufopfern, und es gab allerdings einige, die dieses Opfer nicht ohne Murren brachten. Indeß waren es ihrer doch nur wenige, und selbst dieses wenigen schwiegen

 

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beschämt, da sie sahen, daß sie reichlichen Schadensersatz dafür erhielten.

 

    Die neuangelegten Straßen sind so breit, daß vier bis fünf Wagen recht gut neben einander fahren können. Um sie vor dem Wasser zu schüzzen, hat man sie eine halbe Elle höher, als die umliegenden Felder, und abschüssig gebaut, so daß die Nässe herablaufen, und durch die eine Elle tiefen Graben, welche sich auf beiden Seiten zwischen der Straße selbst und dem Felde hinziehen, abfließen kann.

 

Schade, daß man nicht überall so reich an Steinen war, um, ehe man den Boden mit Kies bedeckte, eine Lage davon auf denselben bringen zu können. Da indeß die strengste Aufsicht herrschte, da fast alle Tage besonders angestellte Männer die Gleise ausfüllen, und aller zehn Schritt ein Hau-

 

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fen Kies aufgeschüttet steht: so ist demungeachtet für die Dauerhaftigkeit dieser Chaussee hinlänglich gesorgt.

    Der Rath zu Leipzig hat dieses nachgeahmt, und auf einige der zunächst um die Stadt gelegenen Dörfer Chausseen führen lassen. Auch nach Lindenau, dem ersten Dorfe auf dem Weg nach Naumburg, geht eine schöne, gerade und auf beiden Seiten mit jungen Bäumchen bepflanzte Chausee, * und man freut sich nun, des Umwegs auf den schmutzigen Dämmen, auf welchen man ehemals nur dahin gelangen konnte, überhoben zu seyn.

    Ueber Lindenau fängt die kurfürstliche Chaussee an, welche sich rechts neben dem Dorfe Schönau hinzieht. Ein Pfad, welcher den Wanderer durch die Felder etwas näher

   *  In gerader Linie läuft sie nur bis an den Kuhthurm bei Lindenau.   Anm. d. U.

 

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zu diesem Dörfchen bringt, könnte in der That zu einer angenehmen Promenade werden, wenn er mit Bäumen besetzt würde, und man also gegen die brennende Hizze des Sommers gesichert wäre. Der Boden von Leipzig bis Schönau ist, so wie im größten Theile des Leipziger Kreises, äußerst fruchtbar. Das Getreide hat sehr lange Stengel, dicke und große Aehren, und das Gras steht in einem so üppigen Grün da, daß die ganze Gegend im Vergleiche mit der Lommatzschen Pflege nichts verlieren wird.

    Das Dörfchen Schönau hat eine nicht ganz uninteressante Lage. Es ist rings von Buschwerk eingeschlossen. Die Häuser, welche, wie in den meisten Dörfern um Leipzig, nicht solche elende ungesunden Hütten sind, als in anderen Dörfern gefunden werden, sind gößtentheils mit Ziegeln gedeckt, und zeugen von dem Wohlstande ihrer Bewohner, der

 

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sich gewöhnlich aus großen Städten auf die nächstgelegenen Dörfer verbreitet. Das Bier, welches seit einiger Zeit in Schönau gebraut wird, findet in Leipzig ziemlich starken Absatz. Einige Leipziger haben haben auch Villen hier, wenn es anders erlaubt ist, diesen prunkenden, doch in anderer Hinsicht passenden Namen den hiesigen Landhäusern zu geben.

 

    In der That haben beide den Zweck miteinander gemein. Es sind Ruhesizze, wo der Städter von dem Gewirr der Geschäfte sich erholt, wo er am Busen der Natur jene Labung einsaugt, die ihm Palladio´s Palläste, und Claude Lorrains Schildereien nicht gewähren können. Der Mensch gleicht einem Kinde, welches erst fremden Gegenständen seine Aufmerksamkeit widmet, ehe es dieselbe auf sich selbst richtet; er betritt neugierig die Bühne menschlicher Kunst - die Städte -

 

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und kehrt dann mißvergnügt dahin zurück, wo er her kam - zur Natur.

    Sehr einförmig ist der Weg, welcher von Schönau nach Markranstädt führt, das anderthalbe Stunde davon entfernt ist. Es ist eine lange Ebene, wo das Auge keinen Gegenstand findet, auf welchem es haften könnte, als die alte Kuppel von der Markranstädter Kirche, welche man, da alles eben ist, in einer sehr großen Entfernung sieht. Zur Rechten blickt zwar auch einmal aus Büschen ein freundliches Dörfchen hervor, dessen Anblick aber durch einige Hügel sehr bald wieder entzogen wird.

    Man wird bald einen sehr merklichen Abstand zwischen den Feldern um Leipzig, und denen um Markranstädt gewahr. Hier ist ein dürrer, undankbarer Boden, das Getreide steht selten über eine Elle hoch, und hat dünne Aehren. Auf manchen Feldern stehen diesel-

 

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ben so einzeln, daß man sie - es ist wirklich nicht zu viel gesagt - zählen könnte.

    Einen vorzüglich traurigen Anblick gewährt der Gemeindeanger, welcher sich links an der Straße eine Viertelstunde weit hinzieht. Die natürliche Unfruchtbarkeit des Bodens wird hier noch durch den Fehler, welcher allen Gemeindegrundstücken eigen ist, daß nämlich niemand von den Vielen, denen sie zugehören, sie zu verbessern bedacht ist, vermehrt. Das Gras steht matt und wie erstorben, und ist so klein, daß man es kaum fassen kann. Und auf solche Weiden wird demungeachtet das Vieh geführt.

    Markranstädt selbst ist ein Flekken, aber äußerst geringer Ort. Die Anzahl der Feuerstätte ist sehr unbeträchtlich. Es sind fast durchaus kleine, armselige Hütten, welche verrathen, daß diejenigen, von denen sie bewohnt werden, eben nicht in den besten

 

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Umstände seyn müssen. Die Ursachen davon sind leicht zu begreifen. Die Handwerker dieses Ortes werden nicht leicht den großen Gedanken fassen, ihre Waren außerhalb des Ortes, wo sie geboren sind, und falls der liebe Himmel es nicht verhindert, auch zu sterben gedenken, abzusezzen. Sie begnügen sich, ihre Nachbarn damit zu versorgen, die dann auch so billig sind, nicht mehr von ihnen zu verlangen, als was schon ihre Väter geleistet haben.

    Durch diese also wird kein Geld nach Markranstädt gezogen. Freilch finden wir das in vielen anderen Flecken so; allein da sind doch wenigstens die Landwirthe wohlhabend, indem diese das, was nicht in ihrem Orte selbst konsumirt wird, anderwärts verkaufen können. Diesen Vorteil haben die Markranstädter Landwirthe nicht, welche auf ihren Feldern kaum soviel erbauen, als zu den Bedürfnissen ihrer Miteinwohner nöthig ist.

 

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   Aus diesen Gründen muß die Geldmasse in diesem Oertchen, das noch überdies durch häufige Kriegsunruhen gelitten hat, immer dieselbe bleiben. Von den Markranstädtern läßt sich mit Recht sagen, daß sie blos für und durch einander leben.

    Das einzige, wovon sie einigen Gewinn haben könnten, ist die starke Passage. Allein die Gasthöfe, deren es hier zwei giebt, sind in der That in einer traurigen Verfassung, als daß die Durchreisenden große Lust haben können, hier zu herbergen.

    Wenn der Boden von Markaranstädt nicht der beste ist: so ist hingegen das hiesige Jagdrevier sehr reich an Wildpret. Besonders giebt es in manchen Jahren so viel Hasen, daß es eben nicht unter die seltenen Fälle gehört, von einem einzigen Krautfelde zwanzig auf einmal aufzujagen. Markranstädt ist deshalb den Leipziger Jagdliebhabern ein sehr

 

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werther Ort, welcher oft von ihnen besucht wird. Auch belustigen sie sich hier mit dem Krähenschießen.

    Die Gegend hat übrigens in der Geschichte Wichtigkeit erhalten. In Altranstädt, einem nicht weit von Markranstädt gelegenen Dorfe, hatte der König von Schweden Karl XII. sein Hauptquartier, und hier wurde auch zwischen ihm und und dem König von Polen der berühmte Ranstädter Friede geschlossen, in welchem der leztere auf Polen völlig Verzicht thun mußte.

    Gleich über Markranstädt, durch welches die Straße hingehet, wird der Boden etwas besser. Er ist schwarz und fett, und man freut sich, eine Strecke von anderthalb Stunden auf´s fleißigste angebaut, und die Mühe, die darauf verwendet wurde, reichlich belohnt zu sehen. Rechts hin liegt liegt Merseburg und das Salzwerk Dürrenberg, welches leztere

 

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gute Augen deutlich erkennen, ja, die Aussicht ist hier so ungehemmt, daß man bei heiterem Himmel gegen Nordwest den Petersberg bei Halle erblikken soll.

 

    Eine Viertelstunde über  Markranstädt liegt links am Wege Quesitz, ein ziemlich langes Dorf. Von hier hat man noch eine gute Stunde bis Lützen, und auf diesem Wege findet man keine menschliche Wohnung, als nur in der Mitte desselben das Chausseehaus, wo der Einwohner mit seiner Familie in der Abgeschiedenheit von der übrigen Welt dem Anscheine nach ein sehr glückliches Leben lebt. Gerade vor demselben teilt sich die Chaussee; der eine Theil führt nach Lützen, der andere nach Dürrenberg.

 

    Es sind auf der Straße von Leipzig nach Naumburg drei Chausseehäuser. Eins ist

 

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bei Schönau, das andere ist das eben erwähnte, und das dritte ist in Rippach. Von jedem Pferde müssen zwei Groschen Chausseegeld entrichtet werden; es sey nun, in welchen von diesen drei Häusern es wolle. Man bekömmt dann einen Zettel, welcher aber nur 24 Stunden gültig ist. Kömmt man erst nach nach dem Verlaufe derselben wieder: so muß man jene Abgabe von neuem entrichten. Diese Einrichtung wird sich jeder gern gefallen lassen, da er dafür auf guten Wegen, welche größtentheils davon unterhalten werden, reisen kann.

    Ungeachtet der Einsamkeit aber, in welcher man sich auf diesem ebenfalls ziemlich einförmigen Wege befindet, ist man doch nicht einsam. Alles trägt dazu bei, den Geist in die Zeiten der Väter zurückzusezzen, und daher wandelt man in den süßesten Empfindungen dahin. Hier war es, wo Freiheit und Un-

 

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unterdrükkungssucht den blutigsten Kampf kämpften, welcher das Schicksal Deutschlands entschied. Die Legionen des stolzen Ferdinands, noch traufend von dem Blute, das sie zu Magdeburg vergossen, und von dem Fluche derer, die sie zu Witwen und Waisen gemacht hatten, verfolgt, stritten hier gegen die wenigen deutschen Männer, denen das Sklavenjoch Ferdinands unerträglich war, und die lieber sterben, als sich unter dasselbe beugen wollten. An ihrer Seite fochten Schwedens tapfere Schaaren, zu Siegen geführt vom Völkerliebling Gustav Adolf.

    Der Himmel erröthete, und der erste Blick der Morgensonne fiel traurig auf Leichenhaufen, auf Mord, und Greuelscenen. Dieser Tag, durch Schillers unnachahmliche Kunst uns auf´s neue vergegenwärtiget, war eben so reich an großen, als an niedrigen Ereignissen. Oesterreichs Waagschale

 

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sank, die Miethlinge flohen, das Blut der Erschlagenen trank die Erde, und ihre Leichname moderten zu Tausenden im Schooße derselben. Deutschlands Sache galt, das Häufchen der Vaterlandsfreunde war unter Gustavs Führung groß in Thaten, gleich den Schweizern bei Murten, errang es, von seinen schwedischen Bundesgenossen treulich unterstützt, den herrlichsten Sieg über die zitternden Oesterreicher.

    Aber unersetzlicher Verlust! Er fiel, dem man allein den Sieg zu danken hatte, Gustav Adolf fiel, von den Dolchen der Meuchelmörder durchbohrt. Er, zu groß, zu tapfer, als daß es einer hätte wagen dürfen, im offenen Kampfe mit ihm zu bestehen, war doch nicht sicher, meuchlings ermordet zu werden. Er starb so, wie er gelebt hatte, - als Held.

 

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   Wo er fiel, da sezte ein Bauer aus dieser Gegend mit Thränen einen Stein hin, der noch da steht. Er ist unbehauen und prunklos, aber der Sinn, auf welchen er deutet, wird uns durch die sanfte Wehmuth, die er erregt, desto deutlicher. Irgend ein Vorübergehender hatte mit Kreide darauf geschrieben; "Gustav Adolf", eine zwar kunstlose Inschrift, die aber gewiß von einem wärmeren Gefühle seiner Verdienste diktirt wurde, als es bei den glänzendsten Instriptionen gewöhnlich der Fall ist.

    Als sich 1797 der jezzige König von Schweden eine Zeitlang in Leipzig aufhielt, besuchte er auch dieses rohe Denkmal seines großen Ahnherrn, und nahm zugleich das ganze Schlachtfeld in Augenschein. Man sagt, er sei entschlossen, ein köstlicheres Monument hier errichten zu lassen, ein Entschluß, der von seiner Hochachtung gegen

 

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Gustav Adolf zeugt, und zu dessen Ausführung er schon die Erlaubnis in Dresden angesucht haben soll.

    Links im Felde sind noch einige Schwedische Schanzen, in welchen es der Aussage der Dorfbewohner noch zu manchen Zeiten gräßlich spuken soll.

    In Lützen zeigt man noch Gustav Adolfs Schwerd, welches er bei seinem Tode geführt haben soll. Da nun aber eben dieses Schwerd auch in Weimar, und endlich auch auf der Rathsbibliothek zu Leipzig vorgezeigt wird: so entsteht die Frage, welches von den drei Exemplaren das ächte ist. Die Beantwortung, die eben nicht sehr fruchtbar seyn kann, wollen wir den Antiquaren überlassen.

    Vor Lützen sind zwei Windmühlen- dergleichen man auch vor Markranstädt findet. Lützen selbst enthält wenig Merkwür-

 

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ges. Es ist ein kleines Städtchen, welches wenn auch keine schönen; doch meistens reinliche Häuser hat. Es liegen zwei Schwadronen vom Leibkürassierregimente darinn zur Besazzung. Auch ist ein Amt hier. Die Kirche, welche mitten in der Stadt ist, ist ein Gebäude von ziemlichen Umfange, obgleich ohne Schönheit und Geschmak.

Das Schloß, welches zwar modern. aber ebenfalls in keinem vorzüglichen Geschmak gebaut ist, liegt auf der südwestlichen Seite der Stadt auf einer Anhöhe. Der Plaz, auf welchem es aufgeführt ist, ist gut gewählt, denn es kann die ganze Ebene übersehen. Das Frontispice ist einfach und ohne alle Verzierungen; das Schloß aber selbst scheint ziemlich baufällig zu seyn. Es ist mit einem Graben umgeben.

   Von Lützen hat man noch eine halbe Stunde nach Röcken [...]