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Literatur

 

 

Von alten Handelsstraßen und ihrem Verkehr

 von Adalbert Zehrer

In: "Das Oschatzer Land", Monatsbeilage des Oschatzer Tageblattes

Oschatz, April 1939

 

    A        Abschrift:  Von alten Handelsstraßen und ihrem Verkehr  

 

Schon im Mittelalter führten durch unser Gebiet wichtige Handelsstraßen, auf denen die Kaufleute mit ihren Wagen in langer Reihe entlangzogen. Der fast regelmäßige Abstand der an diesen Straßen gelegenen Städte kennzeichnet sie als Rastplätze des damaligen Straßenverkehrs. Hier wurden die Pferde gewechselt und den Fuhrleuten oder Reisenden Unterkunft und Verpflegung geboten. Außerdem war Gelegenheit zu Ausbesserungen gegeben, die infolge der schlechten Wege und der noch mangelhaften Verkehrsmittel in früherer Zeit sehr oft nötig wurden. Zu den Rastplätzen gehörte auch Oschatz.

            Eine schon im Mittelalter wichtige und verhältnismäßig  verkehrsreiche Straße war die „Hohe Landstraße“ von Rußland [und] Polen] her über Breslau, Liegnitz, Bunzlau (Nebenweg über Löwenberg), Ullersdorf, Lauban, Neu-Kretscham, Lichtenberg, Görlitz,  Markersdorf, Reichenbach, Schöps, Rothkretscham, Weißenberg und Nadelwitz nach Bautzen, dann weiter über [Marien-]Stern (Nebenweg über Crostwitz und Schreckwitz), Kamenz, Neukirch, Königsbrück, Großenhain, Elbübergang bei Merschwitz, Gastewitz, Oschatz und Wurzen nach Leipzig und von hier schließlich über Erfurt und Eisenach nach Frankfurt a.M.  Die sogenannte „gerechte Straße“ war vom Kaiser bereits 1841 bei 50 Mark Strafe in Gold einzuhalten geboten. Daneben gab es freilich noch manche Abweichung. So war der große Frachtverkehr zwischen Oschatz und Leipzig auf die Muldenbrücken in Grimma oder Eilenburg verwiesen, während der mittlere Weg über Wurzen nur für den leichteren Fracht- und Reiseverkehr bestimmt war. Von Großenhain fuhr man auch über Weißig, Riesa und Weida nach Oschatz oder über Strehla und Dahlen unmittelbar nach Wurzen. Für den Verkehr von Polen her hatte weiterhin große Bedeutung die wiederholt als „polnisches Gleis“ bezeichnete Straße von Bautzen über Bischofswerda, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Hof nach Nürnberg, Augsburg und anderen süddeutschen Handelsstädten. Eine andere wichtige Straße führte von Dresden über Königsbrück und Schwepnitz oder über Kamenz, Wittichenau, Hoyerswerda und Lübben nach Berlin oder über Spremberg und Guben nach Frankfurt a.O. Dann stellte noch eine Straße von Kamenz über Biehla, Bernsdorf und Senftenberg oder über Ortrand, Torgau und Wittenberg die Verbindung nach Magdeburg her.

            Bewaffnete Mannen geleiteten anfangs die Kaufmannszüge auf den noch unsicheren Wegen (Zeit der Raubrittertums), wofür die Fuhrleute sogenannte Geleitsgelder zu zahlen hatten. Das Recht des „Leib- und Gütergeleits“ unterlag dem Legat des Landesherrn, die es als eines der einträglichsten Geldquellen zu schätzen wussten. Auch die Städte bereicherten sich ehemals am Durchgangsverkehr, indem sie an den Toren Zölle (Zoll-Accise) erhoben. Der Handel wurde somit erheblich belastet und daher ist es kein Wunder, wenn die Fuhrleute sich beklagten, daß sie durch die vielerlei Abgaben „hoch und merklich beschwert werden“  ja dass sogar die Abgaben bisweilen „mehr oder weniger nach gefallen des glaitzmanns und gestalt der leut“ erhoben würden. Die Rastplätze sahen die durch den Verkehr bedingte Einkommensmöglichkeit als unantastbares Recht, bestärkt durch Privilegien, an, woraus sich mit der Zeit ein gewisser Straßenzwang ergab. Bei Umgehung büßten die Fuhrleute oft ihr Fuhrwerk und nicht selten sogar die Freiheit ein. Die allgemeine Unsicherheit damals auf den Straßen wurde erst 1506 durch Einführung der Gerichtsbarkeit im Landstraßenverkehr behoben und damit Gewalt, Raub und Zugriffe unterbunden. Das Geleitsrecht hatte damit seinen eigentlichen Sinn verloren, doch wurden auch weiterhin Abgaben für Unterhaltskosten der Straßen von Amt zu Amt – jedoch nicht für Fußgänger – nach Anzahl der Pferde oder Wagen, aber auch nach Gewichtoder Wert erhoben.

           Im Jahre 1507 war der Stadt Leipzig durch kaiserliches Privileg Niederlag- und Stapelrecht verliehen worden, während alle zum Nachteil Leipzigs bestehenden Privilegien für ungültig erklärt wurden. AlleHandelsartikel, mit Ausnahme von Holz, Bausteinen und Feldfrüchten, mußten im Umkreis von 15 Meilen (das sind etwa 136 km) nach Leipzig gebracht und dort mindestens drei Tage zum Verkauf angeboten werden. Die Folge war die Einführung eines allgemeinen Straßenzwanges; nämlich, es wurden bestimmte, aus verschiedenen Richtungen nach Leipzig führende Straßen als „Schleifwege“ erklärt und den Kaufleuten verboten. Nur Reisende, die keine Waren mit sich führten, waren von diesem Verbot ausgenommen. Leipzig riß damit den Verkehr, vor allem aber die „hohe Straße“ von Polen und anderen  [...Textverlust...]

Großenhain, Kamenz, Bautzen und Görlitz; nach Breslau vorgeschrieben. Weiterhin war bestimmt, dass auch die Fuhrleute aus dem Osten, die nach Süddeutschland wollten, auf eben dieser Straße über Leipzig fahren mußten. Der Weg von Bautzen über Bischofswerda, Dresden und Chemnitz nach Zwickau war verboten, was bei den benachteiligten Städten, aber auch bei den Fuhrleuten, nicht geringen Unmut auslöste. Die ältesten Bürger von Chemnitz beispielweise, „welche die Straße nach Schlesien und Polen eine lange Zeit gebauet“, sagten unter Eid aus, daß sie nie anders als von Breslau über Görlitz, Bischofswerda, Dresden , Chemnitz und Zwickau nach Nürnberg gegangen sei. Der Rat zu Döbeln bekannte 1512, daß einige Döbelner Fuhrleute ehedem von Nürnberg Kaufmannsgüter auf Geding oft mit 20 -30 Wagen auf der Straße über Hof, Zwickau, Chemnitz, Dresden, Bischofswerda und Görlitz nach Breslau, Leipzig und Naumburg wollten, wählten den Weg über den „Hayn“ (hohe Straße über Großenhain). Wohl fehlte es nicht an Umgehungsversuchen, der Straßenzwang blieb aber bestehen. Herzog Johann erklärte 1521 dem Rat zu Zwickau, daß er die süddeutschen Fuhrleute, die die vorgeschriebene Straße von Hof über Zwickau und Altenburg nach Leipzig verlassen würden, mit hohen Strafen belegen wolle. Verboten war auch die Umgehungsstraße von Leipzig über Eilenburg, Torgau, Saalgast, Spremberg, Muskau und Rothenburg nach Lauban oder Bunzlau, durch die die oberlausitzer Zollstätten übergangen wurden. Unter das Verbot fielen auch die Straßen von Görlitz über Niesky, Hoyerswerda und Senftenberg nach Torgau, weiter von Görlitz über Rothenburg, Triebel und Guben nach Frankfurt a.O. sowie über Zittau, Gabel (oder von Görlitz über Seidenberg, Friedland und Reichenberg), Weißwasser und Prag nach Regensburg und Nürnberg. Gelegentlich wurden wohl auch über Fuhrleute bei Umgehungsversuchen Strafen verhängt, was aber nicht verhinderte, daß immer wieder Verstöße gegen das Straßengebot vorkamen. Wie bedeutend der Verkehr einst gerade mit Nürnberg war, geht daraus hervor, daß die Nürnberger beispielsweise 1581 für 200 000 Gulden rohe Leinwand in Lausitzer und kursächsischen Städten aufkauften und, zuvor meist in Leipzig gefärbt, nach Franken brachten.

            Leipzig hielt auch nach dem Dreißigjährigen Krieg an den mit seiner Stapelgerechtigkeit verbundenen Straßenzwang fest. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhungerts trat dann eine Wandlung ein durch die 1681 und 1682 in Kursachsen herrschende Pest. Die Städte Augsburg und Nürnberg verboten 1681 den Besuch der Leipziger Michaelis-Messe, auch Böhmen sperrte den Verkehr nach Leipzig. Da Leipzig seine bisherige Stellung als Zentrum des mitteldeutschen Handels bedroht sah schlug es, der Not gehorchend, manche bisher verbotenen Straßen, die seuchenfrei waren,  [...Textverlust...]

und in neue Bahnen geleitet worden. Von der Lausitz nahm man jetzt häufig den Weg über Görlitz, Zittau und Prag nach Nürnberg und Regensburg, auch belebte sich nun wieder jene alte Landstraße von Görlitz über Bautzen, Bischofswerda, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Hof nach Süddeutschland. Auf eben diesem Wege suchte auch das „mächtig aufstrebende Reichenbach“ 1683 sächsische und schlesische Tuche statt über Leipzig, wie es bisher vorgeschrieben war, zu beziehen. Was nützte es, daß der Kurfürst die Einhaltung der vorgeschriebenen Landstraßen, „nachdem man wegen der Contagion geduldet habe, von der gewöhnlichen Landstraße abzuweichen“, einschärfte, der Verkehr hatte inzwischen völlig neue Wege aufgesucht -  und nicht nur vorübergehend, wie sich später nach Behebung der Pestgefahr zeigen sollte. Kurfürst Friedrich August der Starke machte 1697 im Interesse Leipzigs und der Einnahmen wegen den Versuch, durch ein Straßenmandat den Verkehr in die alten Bahnen, wie es vorher war, zurückzuweisen; dies war jedoch nur teilweise von Erfolg. Die Verordnung von 1702 und 1708 waren der letzte energische Versuch Kursachsens, den Verkehr Mitteldeutschlands auf bestimmte Straßen und über Leipzig zu zwingen.

            Die Macht Leipzigs war gebrochen; 1756 wurde das Stapelrecht Leipzigs erheblich eingeschränkt. Seine Stapelgerechtigkeit hatte die Benutzung der zweckentsprechenden und von Natur aus gegebenen Wege gehemmt. Die Fuhrleute hatten sich einfach nicht länger zwingen lassen, viele Meilen umzufahren, nur um dann hohe Abgaben auf Pferde, Wagen und Güter zu entrichten. Nachdem die engen Fesseln gesprengt waren, entwickelte sich der Verkehr auf den Landstraßen sehr lebhaft: er brauchte Freiheit!

            Zur Hebung des Verkehrs trug auch die Besserung der Straßen mit bei, zu welchem Zwecke schon im 18. Jahrhundert in Kursachsen mehrere Mandate erlassen worden waren. Die Freiheitskriege gaben dann erneut Anlaß zum Ausbau der Straßen, denn je besser sie waren, um so schneller vollzogen sich die Durchmärsche der Truppen, und das war wichtig; je länger diese währten, um so höher fielen sonst die Verpflegungskosten im Lande aus. Das war gerade für die große Militärstraße aus dem Südwesten des Reiches über Zwickau bis Görlitz besonders wichtig. Sie war für die schwere Artillerie so gut wie unbrauchbar befunden worden, als man auf französische Beschwerde hin ihren Zustand geprüft hatte. Der französische Gesandte forderte von der sächsischen Regierung die Ausbesserung dieser “Etappen-Straße“, damit der Aufmarsch der verbündeten Truppen nach Rußland rasch von statten gehen konnte. Der König verfügte dann auch die nötigen Maßnahmen zu ihrem Ausbau. So mancher tapfere Soldat, der im Solde Napoleons auf dieser Straße 1812 nach Rußland zog, sollte die Heimat dann nie wiedersehen.